Zusammenfassung des Urteils Nr. 60/2013/2: Obergericht
In einem Gerichtsverfahren vor dem Obergericht des Kantons Zürich wurde eine Beschuldigte wegen übler Nachrede angeklagt. Es ging um Äusserungen gegenüber zwei Privatklägern, von denen einer als antisemitisch und ausländerfeindlich bezeichnet wurde. Das Gericht entschied, dass die Beschuldigte den Wahrheits- und Gutglaubensbeweis erbracht hat und daher nicht schuldig ist, den Privatkläger als Nazi oder Antisemit diffamiert zu haben. Allerdings wurde die Beschuldigte wegen übler Nachrede gegen den anderen Privatkläger verurteilt. Die Geldstrafe wurde auf 10 Tagessätze zu je 30 Franken festgesetzt, deren Vollzug aufgeschoben wurde. Die Beschuldigte wurde zur Zahlung einer Parteientschädigung verurteilt. Der Privatkläger 1 zog seinen Genugtuungsanspruch zurück, und die Kosten des Verfahrens wurden entsprechend verteilt.
Kanton: | SH |
Fallnummer: | Nr. 60/2013/2 |
Instanz: | Obergericht |
Abteilung: | - |
Datum: | 13.12.2013 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Art. 19 Abs. 1 RPG, Art. 27a Abs. 1 lit. b und Art. 35 Abs. 1 BauG; §§ 6 ff. BauV. Hinreichende Zufahrt für ein projektiertes Mehrfamilienhaus an einer bestehenden Erschliessungsstrasse; Erfordernis der guten Gesamtwirkung |
Schlagwörter : | Erschliessung; Zufahrt; Strasse; Recht; Erschliessungsstrasse; Wohneinheiten; Baubewilligung; Meter; Regierungsrat; Kanton; Zürcher; Regelung; Durchgangsstrasse; Gemeinde; Einordnung; Bauprojekt; Zufahrten; Vorschrift; Erschliessungsstrassen; Anforderung; Anforderungen; Fahrbahnbreite; Stich; Projekt; Kantons |
Rechtsnorm: | - |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | - |
Veröffentlichung im Amtsbericht
Für die Erschliessung von 10-30 Wohneinheiten gilt eine Fahrbahnmindestbreite von 4,0 Metern. Der Umstand, dass es sich nicht um eine Stich-, sondern um eine Durchgangsstrasse handelt, erlaubt keine abweichende Betrachtung. Auch bei einer verkehrsberuhigten Strasse ist von den massgebenden Strassenbreiten auszugehen. Denkbar wäre allenfalls die Aufteilung der Durchgangsstrasse in zwei Sackgassen die Schaffung einer Einbahnstrasse. Die erforderliche Erschliessung muss grundsätzlich bereits im Zeitpunkt der Baubewilligung bestehen (E. 2).
Für die Prüfung der Frage, ob mit ein Bauvorhaben bezüglich Einordnung eine gute Gesamtwirkung erzielt wird, haben die zuständigen kantonalen Behörden Kriterien zu definieren, die von den Baubewilligungsbehörden bei der Prüfung der Einordnungsfrage zu beachten sind (E. 3c).
An der A-Strasse in der Gemeinde X., welche 3,0 bis 3,5 Meter breit ist, soll ein neues Mehrfamilienhaus erstellt werden. Ein Nachbar erhob gegen die Baubewilligungen Rekurs an den Regierungsrat und nach dessen Ablehnung Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans Obergericht. Das Obergericht hiess die Beschwerde gut, hob die Baubewilligungen wegen ungenügender strassenmässiger Erschliessung bzw. mangels planerischer Baureife auf und nahm gleichzeitig zur Frage der umstrittenen Einordnung Stellung.
Aus den Erwägungen:
2.a) Der Beschwerdeführer erhebt eine ganze Reihe von Rügen gegen die erteilten und vom Regierungsrat geschützten Baubewilligungen (ungenügende Erschliessung [zu schmale Zufahrt], Verletzung des Grenzabstands, Überschreitung der zulässigen Gebäudehöhe und Geschosszahl sowie der zulässigen Ausnützung, mangelhafte Einordnung der Baute, fehlende Planungsreife des Gebiets). Da eine genügende Erschliessung (inkl. hinreichende Zufahrt) Grundvoraussetzung für die Erteilung einer Baubewilli-
gung darstellt (Art. 19 Abs. 1 i.V.m. Art. 22 Abs. 2 lit. b RPG1) und die Frage der strassenmässigen Erschliessung auch Auswirkungen auf weitere Beschwerdepunkte hat (namentlich auf die Frage der planerischen Baureife und der zulässigen Ausnützung), ist zunächst zu prüfen, ob für das Bauprojekt eine hinreichende Zufahrt i.S.v. Art. 19 Abs. 1 RPG bestehe. Art. 27a Abs. 1 lit. b BauG2 verlangt unter dem Marginale Baureife und Erschliessung für die Erteilung einer Baubewilligung eine hinreichende, rechtlich gesicherte Zufahrt. Die Anforderungen an eine solche Zufahrt werden gestützt auf Art. 27a Abs. 3 und Art. 80 BauG durch die Verordnung zum Baugesetz vom
Dezember 1998 (BauV)3 geregelt. Diese enthält in der geltenden Fassung für die erforderlichen Zufahrten Grundsätze (§ 6 BauV), eine Regelung der konkreten Anforderungen namentlich hinsichtlich der Breite der Zufahrten
(§ 7 BauV), die Möglichkeit der Gewährung von Erleichterungen (§ 7bis
BauV) sowie eine besondere Vorschrift zur Verkehrsberuhigung (§ 7ter BauV). Eine genügende, den gesetzlichen Vorschriften entsprechende Erschliessung muss im Übrigen grundsätzlich bereits im Zeitpunkt der Bau-
bewilligung bestehen; allenfalls kann genügen, dass das Bauvorhaben spätes-
tens im Zeitpunkt der Realisierung über die erforderliche Erschliessung verfügt.4
aa) Zwischen den Parteien ist grundsätzlich unbestritten, dass bisher durch die Erschliessungsstrasse sieben Wohneinheiten erschlossen werden und mit dem Bauprojekt sieben weitere Wohneinheiten dazu kommen würden. Ebenso ist unbestritten, dass die Erschliessungsstrasse nicht die für 10 bis 30 Wohneinheiten erforderliche Fahrbahnbreite von mindestens 4,0 Meter aufweist. Das Strassengrundstück ist lediglich 3,5 Meter breit, wobei dahingestellt bleiben kann, ob die effektive Fahrbahnbreite lediglich 2,8 bis 3,1 Meter (Beschwerdeführer), mehr als 3,0 Meter (Regierungsrat) gar 3,5 Meter (Gemeinderat X.) beträgt. Bei der Beurteilung, ob eine hinreichende Zufahrt im Sinne des eidgenössischen und kantonalen Rechts bestehe, kommt der kommunalen Baubewilligungsbehörde zwar nach Lehre und Rechtsprechung eine von den kantonalen Rechtsmittelinstanzen zu beachtende Entscheidungsund Ermessensfreiheit zu, doch müssen sich ent-
Bundesgesetz über die Raumplanung vom 22. Juni 1979 (Raumplanungsgesetz, RPG, SR 700).
Gesetz über die Raumplanung und das öffentliche Baurecht im Kanton Schaffhausen vom
Dezember 1997 (Baugesetz, BauG, SHR 700.100).
3 SHR 700.101.
Vgl. dazu Waldmann/Hänni, Handkommentar RPG, Bern 2006, Art. 22 Rz. 62 mit Hinweis auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung.
sprechende Entscheide im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften halten und in genügender Weise begründet werden.5
bb) Als erstes stellt sich die Frage, ob allenfalls die Vorschrift von § 7 Abs. 1 lit. c BauV in dem Sinne ungenau bzw. unpräzis abgefasst sei, als sie nur Stichstrassen, nicht aber Durchgangsstrassen im Blick habe. Wie der Beschwerdeführer zu Recht geltend macht, ergeben sich hierfür jedoch keinerlei Anhaltspunkte aus Wortlaut und Entstehungsgeschichte der Bestimmung bzw. der Anlehnung an das Zürcher Recht. § 6 BauV sieht vor, dass Zufahrten Verbindungen von Grundstücken und darauf bestehenden vorgesehenen Bauten und Anlagen mit dem Strassennetz der Groberschliessung sind, wobei nicht zwischen Stichund Durchgangsstrassen unterschieden wird. Die ursprüngliche Fassung von § 7 BauV sah vor, dass Erschliessungsstrassen allgemein eine Fahrbahnbreite von 4,5 Metern aufweisen müssen,6 wobei Rechtsprechung und Praxis für blosse Zufahrten zu Erschliessungsstrassen, welche nur wenige Wohneinheiten erschliessen, eine geringere Fahrbahnbreite zugelassen haben.7 Diese Regelung, welche für Erschliessungsstrassen zwingend eine Fahrbahnbreite von mehr als 4,5 Metern verlangte, wurde von verschiedenen Gemeinden als zu starr empfunden. Der frühere Gemeindepräsident und Kantonsrat Christian Amsler reichte daher am
7. Mai 2007 ein Postulat betreffend vernünftige Strassenbreite bei Erschliessungsstrassen ein, welches auch damit begründet wurde, die bisherige Regelung sei unter dem Aspekt einer haushälterischen Bodennutzung, der Vermeidung unnötiger Bodenversiegelungen und unnötiger Kosten nicht sinnvoll. Der Kantonsrat behandelte dieses Postulat an seiner Sitzung vom
24. September 2007.8 Der damalige Vorsteher des Baudepartements, der frühere Regierungsrat Hans-Peter Lenherr, stimmte hierbei dem Postulat namens
des Regierungsrates zu. Er wies auf die bestehende Praxis zu blossen Zufahr-
ten hin und stellte fest, es bestehe namentlich eine Unsicherheit darin, bis zu welcher Zahl noch von wenigen Wohneinheiten gesprochen werden könne. Der Kanton Zürich kenne diesbezüglich die Normalien über die Anforderungen an Zugänge (Zugangsnormalien), welche rund ein Dutzend Bestimmungen und einen Anhang enthielten. Der Regierungsrat sei bereit, die BauV in Analogie zu dieser Regelung zu revidieren, wobei er darauf hinwies, dass damit mehr Klarheit bestehe, zugleich aber der Ermessensspielraum im Einzelfall eingeschränkt werde.9 Nach zustimmenden Voten des Postulanten und
Vgl. dazu auch Fritzsche/Bösch/Wipf, Zürcher Planungsund Baurecht, 5. A., Zürich 2011, Band II, S. 572 m.H.
§ 7 Abs. 1 lit. b BauV, ursprüngliche Fassung (Amtsblatt 1998, S. 1811 ff.).
Auslegung von § 7 Abs. 2 BauV, ursprüngliche Fassung.
Kantonsratsprotokoll 2007, S. 777 ff.
Kantonsratsprotokoll 2007, S. 780 f.
der Fraktionssprecher stimmte der Kantonsrat der Überweisung des Postulats mit 60:0 Stimmen zu.10
Der Regierungsrat änderte in der Folge mit Beschluss vom 19. Februar 2008 die BauV und erliess die neuen Regeln von § 6 ff. BauV.11 Damit wurden für den Bereich der Erschliessungsstrassen und Zufahrten in Anlehnung an das Zürcher Recht sehr differenzierte Vorschriften über die Strassenbreiten erlassen und zur Präzisierung einige weitere Bestimmungen des Zürcher Rechts übernommen.12 Tatsächlich umfasst die neue Regelung nun sowohl Zufahrten als auch Erschliessungsstrassen, und es werden die Fahrbahnbreiten dieser Zufahrten in Wohnzonen in Abhängigkeit von der Zahl der Wohneinheiten entsprechend der Zürcher Regelung abgestuft, d.h. eine Mindestbreite von 3,0 Metern für bis zu 10 Wohneinheiten, eine solche von 4,0 Metern für 10 bis 30 Wohneinheiten und eine Mindestbreite von 4,5 Metern für über 30 Wohneinheiten vorgeschrieben.13 Schon aus dieser Entstehungsgeschichte bzw. aus der gemeinsamen Behandlung von Erschliessungsstrassen und blossen Zufahrten im Schaffhauser und im Zürcher Recht ergibt sich, dass nicht zwischen Stichstrassen und Durchgangsstrassen zu unterscheiden ist. Entgegen der Auffassung des Regierungsrates drängt sich dies auch nicht aufgrund des Gleichheitssatzes auf, zumal wie dies der Beschwerdeführer zu Recht geltend gemacht hat - die Gesamtbelastung durch den Erschliessungsverkehr bei den beiden Strassenarten (Stichstrasse bzw. Durchgangsstrasse) gleich bleibt und grundsätzlich keine gleichmässige Aufteilung des Verkehrsabflusses auf einer Durchgangsstrasse erreicht werden kann. Auch der Kanton Zürich unterscheidet daher bei der Anwendung der Zugangsnormalien nicht zwischen Stichund Durchgangsstrassen und sieht Erleichterungen nur vor, wenn in begründeten Fällen die Betriebsform des Einbahnsystems gewählt wird14 besondere tatsächliche Verhältnisse bestehen.15 Dem Regierungsrat steht es natürlich offen, eine neue Regelung von
§ 7 Abs. 1 lit. c BauV zu treffen, soweit diese sich sachlich begründen lässt. Ob dies der Fall ist, erscheint fraglich, zumal auch die allgemein anerkannten Normen der Vereinigung Schweizerischer Strassenfachleute (VSS) für Durchgangsstrassen nicht gegenüber Stichstrassen reduzierte Anforderungen an die Strassenbreite vorsehen; diese Normen sehen für durchgehend befahrbare
Kantonsratsprotokoll 2007, S. 784.
Amtsblatt 2008, S. 245 f.
So die Umschreibung der Änderung in den Mitteilungen des Regierungsrats, Amtsblatt 2008, S. 262.
Vgl. § 7 Abs. 1 lit. c BauV bzw. Zürcher Normalien über die Anforderungen von Zugängen vom 9. Dezember 1987 (Zugangsnormalien, ZN, LS 700.5), Anhang, erste Synopsis.
Vgl. § 8 ZN.
Vgl. § 11 ZN.
Quartiererschliessungsstrassen im Unterschied zu blossen Zufahrtsstrassen vielmehr ausdrücklich zwei Fahrstreifen vor.16 Die vom Regierungsrat in Erwägung gezogene Änderung der BauV ist im Übrigen bisher nicht erfolgt und kann daher im vorliegenden Fall jedenfalls nicht angewendet werden.
cc) Als Weiteres stellt sich die Frage, ob allenfalls gestützt auf § 7bis BauV Erleichterungen gewährt bzw. ausnahmsweise eine Erschliessung mit einer schmaleren Zufahrt, als sich dies aus § 7 Abs. 1 lit. c BauV ergibt, zugelassen werden können. Die entsprechende Vorschrift ist nicht abschliessend, enthält aber verschiedene konkretisierte Ausnahmesituationen. Wie der Beschwerdeführer zu Recht geltend macht, ist abgesehen vom wie dargestellt irrelevanten Aspekt des Bestehens einer Durchgangsstrasse von den Beschwerdegegnern keine Begründung für das Vorliegen einer dem Sinn von
§ 7bis BauV entsprechenden Ausnahmesituation vorgebracht worden. Insbesondere liegt auch keine Sondersituation i.S.v. § 7 der Zürcher Zugangs-
normalien vor, wonach eine Erleichterung allenfalls gewährt werden kann,
wenn der erforderliche Ausbau nur in einem beschränkten Abschnitt nicht besteht und dies aufgrund besonderer örtlicher Verhältnisse vertretbar erscheint. Im vorliegenden Fall besteht die ungenügende Breite der Zufahrt abgesehen von der vorgesehenen neuen Ausweichstelle - unbestrittenerweise auf der ganzen Länge der Erschliessungsstrasse (235 Meter). Überdies spricht auch die vom Beschwerdeführer geltend gemachte und nicht grundsätzlich, sondern nur im Ausmass bestrittene zusätzliche Erschliessung von Liegenschaften an der nördlichen Hauptstrasse über die A-Strasse gegen die Gewährung einer Ausnahme.17 Entgegen der Auffassung der Gemeinde X. sieht die bestehende, in Anlehnung an das Zürcher Recht vorgenommene Regelung keine Gewichtung der Wohneinheiten vor, sondern geht aus zulässigen praktischen Gründen von einer abstrakten Betrachtungsweise aus.18 Die vorgesehene Schaffung einer Ausweichstelle vermag ebenfalls keinen Ausnahmegrund zu schaffen, da solche Ausweichstellen nötigenfalls zusätzlich zum Regelausbau zu erfolgen haben.19 Der Grundsatz der haushälterischen Bodennutzung ist bereits durch die differenzierte Regelung der Fahrbahnbreiten in § 7 Abs. 1 lit. c BauV berücksichtigt worden und vermag daher ein Abweichen von den bestehenden gesetzlichen Vorschriften nicht zu be-
Vgl. VSS-Norm 640 045 (Projektierung, Grundlagen; Strassentyp: Erschliessungsstrassen).
Vgl. auch § 6 Abs. 1 der Zürcher Zugangsnormalien, wonach andere Nutzungen in Wohneinheiten umzurechnen wären.
Vgl. dazu Fritzsche/Bösch/Wipf, Band II, S. 575.
Vgl. § 7 Abs. 2 BauV bzw. § 9 der Zürcher Zugangsnormalien.
gründen.20 Der von der Gemeinde ins Spiel gebrachte Aspekt der Verkehrsberuhigung ist in § 7ter BauV geregelt. An sich wäre es denkbar, die Quartierstrasse als verkehrsberuhigte Strasse auszubauen, doch müsste hierbei grundsätzlich ebenfalls von den vorgeschriebenen Strassenbreiten ausgegangen werden. Ein entsprechendes Projekt besteht jedoch nicht. Ebenso käme allenfalls als Sondersituation i.S.v. § 7bis BauV in Analogie zur Zürcher Regelung die Schaffung eines Einbahnsystems in Frage, was allerdings vom Gemeinderat bisher offenbar nicht in Erwägung gezogen wurde.
Somit ergibt sich, dass die bestehende Erschliessungsstrasse den gesetzlichen Anforderungen an eine hinreichende Zufahrt im Hinblick auf die Bewilligung des umstrittenen Bauvorhabens nicht genügt. Hieran vermag nichts zu ändern, dass das Baugrundstück in dem im Rahmen der Zonenplanrevision 2004 erstellten Grundlagenplan III, Stand der Erschliessungen, als baureif ausgewiesen wird, zumal es sich hierbei nur um eine unverbindliche Informationsgrundlage handelt, aus welcher Private weder Rechte noch Pflichten ableiten können.21 Überdies wurde wohl nicht mit einer derart starken Mehrausnützung (Verdoppelung der bisher durch die Strasse erschlossenen Wohneinheiten) gerechnet. Dies, aber auch mögliche zusätzliche Nutzungsmöglichkeiten im fraglichen Gebiet, spricht wie der Beschwerdeführer zu Recht geltend gemacht hat für eine in Aussicht zu nehmende Verbreiterung der A-Strasse. Im Unterschied zu einem im Jahr 1999 beurteilten Fall22 kann die erforderliche Verbreiterung der zur Diskussion stehenden Erschliessungsstrasse aber nicht im Rahmen des vorliegenden Beschwerdeverfahrens vorgenommen werden, zumal es nicht nur um ein kleines Verbreiterungsstück geht, welches einem einzelnen Grundeigentümer gehört, der seine Zustimmung für die Verbreiterung gegeben hat. Vielmehr sind zahlreiche Grundeigentümer betroffen, und es muss allenfalls ein Landumlegungsoder Enteignungsverfahren durchgeführt werden. Falls die Gemeinde auf eine solche Verbreiterung wegen der damit verbundenen Schwierigkeiten verzichten möchte, sind soweit dies mit der kommunalen Strassenrichtplanung vereinbar ist andere Massnahmen denkbar, z.B. die Bildung zweier Sackgassen, wie dies offenbar diskutiert wurde, die zuvor erwähnte Schaffung eines Einbahnsystems. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers
Vgl. Art. 27a Abs. 2 BauG zur Pflicht, die Erschliessungsanlagen im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften so zu planen, dass eine zweckmässige und haushälterische Bodennutzung erzielt wird.
Vgl. Art. 31 der Raumplanungsverordnung vom 28. Juni 2000 (RPV, SR 700.1) und dazu André Jomini in: Aemisegger u.a. (Hrsg.), Kommentar zum Bundesgesetz über die Raumplanung, Zürich/Basel/Genf 2010, Art. 19 Rz. 46, S. 18.
OGE 60/1999/10 vom 3. Dezember 1999; vom Bundesgericht bestätigt mit Urteil 1P.16/2000 vom 29. März 2000.
würde eine richtplanverträgliche Bildung zweier Sackgassen, welche zur Sicherstellung einer genügenden Erschliessung wohl zwingend die Schaffung von Wendeplätzen erfordern würde, grundsätzlich keine unzulässige Umgehung der Erschliessungsvorschriften darstellen, zumal eine solche Massnahme im Hinblick auf eine Verkehrsberuhigung wohl sogar die beste Lösung wäre. Beide Massnahmen (Bildung von Sackgassen bzw. Schaffung einer Einbahnstrasse) würden aber ebenfalls entsprechende ausgearbeitete Projekte erfordern, die im strassenrechtlichen Verfahren mit öffentlicher Ausschreibung bewilligt und durchgeführt werden müssten.23 Solche konkreten
Projekte bestehen zurzeit nicht, und der Ausgang der erforderlichen Verfahren ist überdies völlig ungewiss. Unter diesen Voraussetzungen aber fehlt dem vorliegenden Projekt zum jetzigen Zeitpunkt das Erfordernis einer genügenden strassenmässigen Erschliessung und damit auch der planerischen Baureife i.S.v. Art. 27a BauG, weshalb die erteilte Baubewilligung und der Rekursentscheid des Regierungsrates in Gutheissung der vorliegenden Verwaltungsgerichtsbeschwerde aufzuheben sind.
3.- Da das Bauvorhaben aufgrund der mangelnden Erschliessung bzw. Baureife einstweilen nicht verwirklicht werden kann und eine allfällige Verbreiterung der A-Strasse auch eine Reduktion der Ausnützungsmöglichkeiten zur Folge haben würde (weniger anrechenbare Landfläche), erübrigt es sich grundsätzlich, auf die weiteren Rügen gegen das vorliegende Bauprojekt einzugehen, namentlich auf die im einzelnen umstrittene Berechnung der zulässigen Ausnützung. Aus verfahrensökonomischen Gründen sollen jedoch einzelne weitere grundsätzliche Fragen, welche von den Parteien aufgeworfen und erörtert worden sind, kurz geprüft werden, zumal sie sich bei einem ähnlichen neuen Projekt wiederum in gleicher Weise stellen könnten.
c) Umstritten ist auch, ob das Bauprojekt die sich aus Art. 35 Abs. 1 BauG und Art. 9 Abs. 1 BauO24 ergebende Anforderung erfüllt, wonach Bauprojekte sich so in ihre bauliche und landschaftliche Umgebung einzufügen haben und in ihren Proportionen und Einzelheiten so zu gestalten sind, dass eine gute Gesamtwirkung erzielt wird (Einordnungsvorschrift). Hierbei handelt es sich um eine positive ästhetische Generalklausel. Anders als negative ästhetische Generalklauseln, die lediglich ein Verunstaltungsverbot enthalten, verlangen positive Generalklauseln, dass eine Baute nach den Regeln der Baukunst so zu gestalten und einzuordnen ist, dass mit der Umgebung und der Landschaft eine gute Gesamtwirkung entsteht. Solche Ästhetikvorschriften
Vgl. dazu Art. 12 ff. und Art. 43 ff. des Strassengesetzes vom 18. Februar 1980
(SHR 725.100).
Bauordnung der Gemeinde X. vom 25. Februar 2005 (BauO).
haben neben den Bauvorschriften eine eigenständige Bedeutung und sind nicht schon eingehalten, wenn die Bauvorschriften respektiert werden. Allerdings kann die Anwendung einer solchen Ästhetikklausel die Zonenordnung nicht ausser Kraft setzen. Auch wenn für die Wohnzone im Unterschied zur Dorfzone25 keine ausdrückliche Pflicht zur Anpassung an die bestehenden Liegenschaften besteht, wird aber doch wie in einzelnen wenigen anderen Kantonen (insbesondere im Kanton Graubünden) eine gute Einfügung in die bauliche und landschaftliche Umgebung verlangt, was mehr erfordert als eine bloss befriedigende Einordnung, wie dies die Baugesetze anderer Kantone
(z.B. des Kantons Zürich) vorsehen.26 Die Frage der vorgeschriebenen guten Gesamtwirkung ist im Einzelfall anhand der konkreten Verhältnisse zu prüfen. Den verantwortlichen Baubewilligungsbehörden kommt hierbei ein nicht
unerheblicher Beurteilungsund Ermessensspielraum zu, der im Rechtsmittelverfahren zu beachten ist.27 Wesentlich erscheint aber, dass die zuständigen Baubewilligungsbehörden von gewissen Kriterien ausgehen und nicht einfach von Fall zu Fall ohne nähere Begründung festhalten, dass eine gute Gesamtwirkung bejaht werden könne.28 Die für die Auslegung der kantonalen Einordnungsvorschrift von Art. 35 Abs. 1 BauG verantwortlichen Behörden also die kantonale Bauverwaltung und der Regierungsrat als Aufsichtsund Rechtsmittelbehörde sollten daher gewisse minimale Anforderungen an die Einordnungsprüfung von Bauvorhaben festlegen, damit eine entsprechende Prüfung der Baubewilligungspraxis möglich ist. Solche Kriterien bestehen bisher offenbar nicht bzw. sind im vorliegenden Fall jedenfalls nicht dargelegt
worden, weshalb eine verwaltungsgerichtliche Überprüfung des Baubewilligungsentscheids insoweit nicht ganz einfach ist. Wie es sich mit der guten
Einordnung beim vorliegend angefochtenen Bauprojekt verhält, kann aber angesichts der Aufhebung der Baubewilligung offen gelassen werden, zumal
ein neues Bauprojekt aufgrund der erforderlichen Neuordnung der Er-
schliessungsverhältnisse bzw. geänderten Ausnützungsmöglichkeit und der erforderlichen Beachtung der Gebäudehöhenvorschrift ein anderes Aus-
Vgl. Art. 29 BauO.
Vgl. dazu den Überblick über die Entwicklung und den Stand der entsprechenden kantonalen Regelungen bei Beat Zumstein, Die Anwendung der ästhetischen Generalklauseln des kantonalen Baurechts, Diss. St. Gallen 2001, insbesondere S. 27 ff.
Vgl. dazu das Urteil des Bundesgerichts 1C_434/2012 vom 28. März 2013 zur Frage der Vereinbarkeit eines hinsichtlich Geschosszahl und Gebäudevolumen stark von der bestehenden Überbauung abweichenden Bauprojekts mit der positiven Ästhetikklausel.
Vgl. dazu auch Benjamin Schindler, Die Gemeindeautonomie als Hindernis für einen wirksamen Rechtsschutz - Ästhetikvorschriften als Reservate kommunaler Willkür, in: Rüssli/ Hänni/Häggi Furrer (Hrsg.), Staatsund Verwaltungsrecht auf vier Ebenen, Festschrift für Tobias Jaag, Zürich/Basel/Genf 2012, S. 145 ff., insbesondere S. 148.
sehen als das vorliegende Projekt haben wird und daher vollständig neu beurteilt werden muss.
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
Hier geht es zurück zur Suchmaschine.